10 Dinge, die ich durch Südamerika gelernt habe (Part 2)

Willkommen zu Teil 2: lese hier weiter über meine Erfahrungen im Südamerika Austausch

  6. Genieße es anders zu sein
  7. Jahreszeiten sind ein Segen
  8. Probiere mal was Neues aus
  9. Heimweh überwinden & Zeit mit sich selbst genießen lernen
10. Im Moment leben

 


 

6. Genieße es anders zu sein

 

Vor meinem Aufenthalt habe ich mir damals extra meine dunkelblonden Haare schwarz gefärbt, um in der Latino Menschenmasse nicht so aufzufallen. Weit gefehlt: meine weiße Haut und die blauen Augen sind durch den Kontrast mit den schwarzen Haaren noch mehr herausgestochen.

 

Auf dem Cotopaxi in 5000m Höhe. Auch mit schwarzen Haaren,
sieht mir an, dass ich keine gebürtige Latina bin.

 

Die ersten Monate waren echt unangenehm für mich, da ich optisch einfach immer herausgestochen bin und angestarrt wurde. In manchen Landesteilen, in denen Touristen sehr selten sind, wollen die Einheimischen z.B. blonde Haare berühren, weil es für sie so ein ungewohnter Anblick ist. Da hatte ich mit den gefärbten Haaren noch Glück gehabt.

 

Im Urlaub merkt man es nicht so dramatisch, wenn man jedoch längere Zeit in so einem Land verbringt bleibt einen nichts Anderes übrig, als sich daran zu gewöhnen. Ich habe gelernt diese Aufmerksamkeit zu akzeptieren und teilweise auch zu genießen. Ich verstecke mich nicht mehr und habe kein Problem, wenn man mir ansieht, dass ich eine Ausländerin bin. Das war als pubertierender Teenager mit entsprechendem Selbstbewusstseins-Schwankungen anfangs nicht gerade einfach.

 

Auch wenn man sich als einziger Deutscher in Südamerika erst einsam fühlt,
man lernt seine EInzigartigkeit und die Andersartigkeit der anderen Kultur zu schätzen.

 

Aber auch hier gilt wie so oft: „fake it, till you make it.“ Mittlerweile habe ich es auch auf andere Bereiche meines Lebens, z.B. meine Ansichtsweisen erweitert. Ich genieße es gegen den Strom zu schwimmen, anstatt mich in der Masse zu verstecken: ich brauche keine Tatoos oder Makenklamotten, ich interessiere mich für Spiritualität, lebe gerne auch mit Ende 20 in der Wohnung über meinen Eltern und plane meine (zukünftigen) Kinder nicht in eine Kita oder einen Kindergarten zu schicken, genauso wenig wie ich selbst jemals einen Kindergarten von innen gesehen habe und ihn auch nie vermisst habe.

 

Ich stehe dazu, ja es macht mir sogar oft Spaß damit etwas anzuecken, wenn auch mit Fingerspitzengefühl. Diese Individualität macht die Menschheit doch erst interessant!

 

Be different!!

Ich tu das, was sich für mich richtig anfühlt, solange es niemand anderen verletzt und den gleichen Respekt verlange ich von anderen auch mir gegenüber. Es ist unglaublich befreiend es zu genießen, anders zu sein!

 

 

7. Jahreszeiten sind ein Segen

 

Es gibt niemanden in Deutschland (mich eingenommen) der sich im November nicht über den Regen und die Kälte beschwert. Nicht wenige wünschen sich einen ewigen Sommer. In Ecuador ist er Wirklichkeit, das ganze Jahr geht die Lufttemperatur nicht unter 25°C.

 

Ich bin damals im Juli nach Ecuador gegangen, also vom Warmen ins Warme. Erst im Oktober hat meine innere Uhr mir gesagt, dass hier etwas nicht passt. Ich habe angefangen das bunte Laub, die schöne Lichtstimmung und sogar den Herbstregen zu vermissen! Das ging so weit, dass mir meine Mutter ein paar bunte Deko-Laubblätter aus Deutschland per Post hat zukommen lassen.

 

Die geliebten Jahreszeiten, hier beispielhaft an einem prachtvollen Baum in meiner Heimatstadt.

 

Jahreszeiten sind etwas Wunderschönes! Jeder Monat hat seine bestimmten Vorzüge, unterschiedliche Aktivitäten und Stimmungen. Der Mix aus allem macht es erst interessant. Es gibt bestimmt Menschen, die mit ewigen Sommer sehr zufrieden wären, aber man sollte es erst mal ausprobieren, bevor man z.B. nach Süamerika oder Süd-Ost-Asien auswandern will.

 

Ich habe gemerkt: ich brauche Jahreszeiten um mich herum (dass der Winter 6 Monate dauern muss, sei mal dahingestellt). Auch für die Fotografie finde ich es wichtig Abwechslung zu haben – andere Fotomotive und Lichtstimmungen. Ich liebe Jahreszeiten und bin seit Ecuador nicht mehr ganz so traurig, wenn der Sommer sich dem Ende neigt.

 

 

8. Probiere mal was Neues aus

 

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Daheim in unserer Komfortzone zwingt uns schließlich auch nichts dazu sie zu verlassen. Dadurch verschenkt man leider auch viele Möglichkeiten über sich hinauszuwachsen.

 

Wenn man jedoch ins Ausland geht wird man automatisch aus seiner Komfortzone geschubst. In einem Jahr Südamerika wurde ich mit vielen neuen Dingen konfrontiert: neues Essen, Aktivitäten, Kontakte, Sprache  … Anfangs ist es zwar schwer über seinen inneren Schweinehund zu springen, aber mit der Zeit und genügend Willen klappt es schon.

 

Ceviche Spoon Sampler...Mal was Neues probieren: andere Länder, andere Geschmäker.
Ceviche: eine kalte Shrimps und Fisch Suppe, die in Ecuador gerne als Anti-Kater Frühstück gegessen wird.

 

Es hat mir sehr gut getan Neues auszuprobieren. Ich bin offener geworden und selbstbewusster, weil Dinge geklappt haben, die ich mir vorher nicht zugetraut habe. Deswegen mein Tipp an alle: probiert öfters mal was Neues aus, insbesondere, wenn ihr im Ausland unterwegs seid, aber natürlich auch mal daheim.

 

Mal was Neues probieren: nur mit einer alten Stirnlampe in unerschlossene Höhlen absteigen und in unterirdischen Wasserfällen baden. Solche Abenteuer findet man in Ecuador, fernab von deutschen Sicherheitsstandards!

 

 

9. Heimweh überwinden & Zeit mit sich selbst genießen lernen

 

Oh ja das liebe Heimweh hat auch mich nicht verschon. Als ich mit 13 für eine Woche in England zum Schüleraustausch war, war es die längste Woche meines Lebens, zumindest gefühlt. In Ecuador habe ich am Anfang jedoch gar nicht so viel Heimweh gehabt.

 

Alles war neu und aufregend. Zudem waren über die Sommerferien einige andere deutsche Austauschschüler drüben, mit denen ich viel unternommen habe: Partys, Rundreisen, gemeinsame Treffen etc. Ich hatte genügend Gleichgesinnte um mich herum und konnte weiterhin deutsch reden.

 

Eine adrenalinreiche Fahrt mit einer rostigen Gondel zur anderen Seite der Schlucht bei Baños.
Solange es Action gibt, fällt es nicht auf, erst wenn der Alltag eintritt kommt auch das Heimweh.

 

Das große Heimweh ist erst aufgetaucht, als die anderen Deutschen abgereist waren, als alles nicht mehr so neu und aufregend war und ich alleine klar kommen musste. Als einzige Deutsche inmitten von Latinos fühlt man sich dann sehr schnell einsam, weil die Mentalitäten z.B. bei Pünktlichkeit, Religion und Ordnung weit auseinanderklaffen.

 

Glücklicherweise gab es auch schon in 2007 Skype, ICQ und MSN, wodurch ich den Kontakt in die Heimat als „Seelentelefon“ aufrechterhalten konnte.  Nach und nach habe ich aber auch gelernt selbst klar zu kommen und über das Heimweh zu stehen. Man fängt an die Zeit mit sich selbst schätzen zu lernen und, dass man immer selbst sein bester Freund ist.

 

Smartphones gab es 2007 zwar noch nicht, aber nach Hause skypen hat dennoch stark geholfen. Die Zeit abseits vom Laptop und Internet musste ich jedoch lernen selbst Verantwortungen und Entscheidungen zu übernehmen.

 

Die Beziehung mit sich selbst ist die langanhaltendste in unserem gesamten Leben, deshalb sollte man lernen gut mit sich umzugehen und ein positives „Selbstgespräch“ in seinen Gedanken zu führen. Allein im Ausland (offline!) zu sein hilft bei diesem Prozess enorm. Man kann nicht alles mit seinen Freunden absprechen und um Rat fragen, sondern muss lernen auf sich selbst zu vertrauen. Zudem verliert man nach und nach die Angst vorm alleine sein.

 

Heimweh überwinden lässt einen reifen und danach kann man erst so richtig in eine neue Kultur eintauchen. Manchmal muss man seine eigene Kultur und die deutsche Denkweise erst man hinter sich lassen, damit man offen genug ist tief in eine neue Kultur einzutauchen.

 

 

10. Im Moment leben

 

Last but not least: ich habe in Südamerika gelernt im Moment zu leben! Von dem „im Moment leben“ hören wir alle öfters mal, aber wie viele Leute nehmen sich das wirklich zu Herzen? Kaum einer…auch ich vergesse es öfters mal im normalen Alltag.

 

Früher habe ich mir andauernd Gedanken gemacht und mögliche Szenarien (z.B. das Gespräch mit jemanden am nächsten Tag) ausgemalt und bin es mehrfach durchgegangen. Ich habe viele Verschiedene Möglichkeiten durchgespielt, von denen aber meist eh keine eingetroffen ist. Nachts im Bett konnte ich kaum einschlafen, weil ich schon den nächsten Tag gedanklich durchgegangen bin inklusive all meiner Sorgen.

 

Silhueta Reisen lässt einen herrvorragend voller Leichtigkeit im Moment leben,
wenn man sich darauf einlässt.

 

In Ecuador und allgemein beim Reisen lässt sich aber vieles nicht planen. Pläne (abgesehen vielleicht von Flügen, Hotelbuchungen, etc.) gehen selten genau auf. Gespräche schon vorher detailgenau festzunageln ist ebenso Schwachsinn und macht einen nur nervös.

 

Dank der lockeren ecuadorianischen Mentalität, bei der eh alle Pläne über den Haufen geworfen werden, habe ich gelernt los zu lassen. Und wisst ihr was? Es fühlt sich genial an! Es ist befreiend nicht gedanklich dem Gestern hinterherzutrauern oder ängstlich das morgen zu planen.

 

Nehmen wir z.B. ein Wochenende: ich genieße es einfach und vergesse welcher Tag ist. Auch Sonntag abends mache ich mich nicht verrückt, dass jetzt „schon wieder“ eine Arbeitswoche auf mich wartet. Es hilft einfach mal den Kalender gedanklich auszublenden und jeden Tag für sich zu nehmen. Weniger Gedanken machen erfordert Übung, aber es bringt einen ein völlig neues Lebensgefühl.

 

Dabei hilft übrigens Meditation: auf die tiefe Ein- und Ausatmung konzentrieren, dabei gedanklich mitzählen und bewusst aufkommende Gedanken wieder wegschicken um weiter zu zählen. Nach wenigen Minuten bin ich dabei wieder tiefenenspannt, wie nach einem Mittagsschlaf.

 

Meditation am wunderschönen Strand in Ecuador. Den Moment genießen, den Geräuschen lauschen und die Gedanken abschalten – einfach unbezahlbar!

 

Ich bin viel glücklicher geworden, seitdem ich nicht mehr so viel innere Szenarien durchgehe und mich einfach überraschen lasse was der Tag so bringt. Auch wenn der Tag nicht so gut lief, dann ist er am nächsten halt wieder vergessen. Mein schlechtes Gedächtnis hilft mir dabei wahrscheinlich auch reichlich, aber laut Studien sind Leute mit schlechtem Gedächtnis eh die Glücklicheren bzw. Intelligenteren 😀

 

Glück, das ist einfach eine gute Gesundheit und ein schlechtes Gedächtnis.

Ernest Hemingway; *1899  †1961
US-amerikanischen Schriftsteller

 

Ich lerne im Allgemeinen aus dem was ich erlebt habe und behalte die positiven Wow-Momente in Erinnerung, der Rest und unwichtige Details hingegen sind stark verschwommen oder weg. Aber dank dieser praktischen Funktionsweise meines Hirns bleibt mir gar nichts anderes übrig, als im Moment zu Leben. Also probiert es aus: positiv denken, das „vergesslich sein“ schätzen und den Kalender auch mal aus dem Kopf streichen!

 


 

Das waren meine Erfahrungen im Südamerika Austausch. Falls ihr selbst noch keine lange Auslandserfahrung hattet, überlegt es euch doch auch mal. Solltet ihr Kinder haben, habt keine Angst sie auch auf einen Austausch zu schicken, man kann daran nur reifen und über sich hinaus wachsen 🙂

 

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